Softwarechaos bedroht Volkswagens Modelloffensive
Konzernchef Herbert Diess muss im Vorstand das Scheitern der Softwaretochter verantworten. Der Zeitplan für die Artemis- und Trinity-Modelle wackelt, die Eignerfamilien werden nervös. Eine Allianz soll ihn nun retten. Von Michael Freitag 28.04.2022, 07.02 Uhr • aus manager magazin 5/2022 Zur Merkliste hinzufügen
Link kopieren An der Wand: Herbert Diess kann die Softwareprobleme nicht aussitzen
Bild vergrößern An der Wand: Herbert Diess kann die Softwareprobleme nicht aussitzen Foto: Daniel Pilar/laif Termine mit den Königen der Techwelt gehören zu den Höhepunkten im Alltag von Herbert Diess (63), sei es Nvidia-Chef Jensen Huang (59) oder Tesla-Mann Elon Musk (50). Diess stellt sich den Autokonzern der Zukunft als Tech-Company vor, das ist seine Crowd. Sorgsam choreografierte Fotos der Treffen bei Linkedin werfen auch ordentlich Glanz auf ihn persönlich.
Seine Visite bei Amnon Shashua (61) Anfang März jedoch trug Diess nicht in die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit dem Chef des Kamera- und Softwarespezialisten Mobileye testete er in Israel einen autonom fahrenden Prototyp. "Total begeistert" sei der Chef zurückgekehrt, berichten Kollegen. Und mit dem Ziel, Mobileye als zentralen Partner zu gewinnen.
Der Vorstoß ist Teil einer breit angelegten Rettungsaktion für den größten Problemfall im Konzern: die Softwareeinheit Cariad.
Diess' Leute verhandeln auch mit dem chinesischen Techkonzern Huawei. Es geht um eine auf Halbleiterdesign und autonomes Fahren spezialisierte Einheit. Ein zweistelliger Milliardenbetrag für eine Übernahme ist aufgerufen, doch die Gespräche stocken.
Sie diskutieren mit dem Halbleiterkonzern Qualcomm; die Amerikaner könnten spezielle Teams zur Verfügung stellen, gemeinsam mit den Cariad-Leuten Spezialchips entwickeln für Volkswagen. Auch mit den Autoteams von Amazon und Microsoft werden neue Allianzen erörtert.
Das Bündnis mit Bosch, gedacht als Zentrum für autonomes Fahren und mit einer Einstandszahlung von rund 350 Millionen Euro an den Partner gestartet, reicht nicht. Das hat Diess signalisiert. VWs 40-Prozent-Beteiligung an Argo AI, dem US-Spezialisten für autonomes Fahren, spielt keine Rolle bei Cariad. Argo ist eine Wette auf die Zukunft, die Diess nebenherlaufen lässt.
Verzögerungen bei Porsche, Audi, VW
Volkswagen kann es sich einerseits leisten, der Konzern verdient viel Geld. Doch die Softwareprobleme sind andererseits übergroß – und damit die Zweifel an der Zukunft. Cariad sendet immer neue Fehlermeldungen. Elektrische Hoffnungsträger wie Porsches neuer Macan und ein bauähnlicher Audi sollten, so der ursprüngliche Zeitplan, vor einem halben Jahr fertig sein. Vor Ende 2023 wird daraus nichts, weil die Software muckt.
Mehr zum Thema "Nicht geeignet": Gerichtsgutachten warnt vor Teslas Autopilot Von Jonas Rest Gerichtsgutachten warnt vor Teslas Autopilot Autonomes Fahren: VW und Huawei verhandeln Milliardendeal in China Von Michael Freitag und Margret Hucko VW und Huawei verhandeln Milliardendeal in China Billionenspiel um Software: Der Quälcode der deutschen Autobauer Von Michael Freitag und Margret Hucko Der Quälcode der deutschen Autobauer Kooperation: VW-Tochter Cariad und Bosch entwickeln gemeinsam automatisiertes Fahren VW-Tochter Cariad und Bosch entwickeln gemeinsam automatisiertes Fahren Die größten Autobauer weltweit: „Der Markt wird sich revolutionär verändern“ Von Alexandra Knape „Der Markt wird sich revolutionär verändern“ Auch Audis Zukunftsvehikel Landjet wird auf zwei Jahre Verzug taxiert. Der Koloss, verknüpft mit dem Projektnamen "Artemis" und der Softwarearchitektur E3 2.0, war versprochen für 2024. Er soll die nächste Generation von Hardware und Software bieten, per Update auf autonomes Fahren aufrüstbar. Ähnliche Ziele gelten für VWs ebenfalls bereits verzögerte "Trinity"-Plattform.
Inzwischen heißt es, die Artemis- und Trinity-Modelle seien eventuell erst 2027 auf dem Markt. "Auf ein Jahr kommt es da nicht mehr an", sagt ein Beteiligter. "Am wichtigsten ist jetzt, dass wir vernünftige Autos hinstellen."
Die ständigen Verzögerungen machen ganze Modellpläne zur Makulatur. Kommt der Macan zu spät, gilt das auch für den elektrischen Cayenne. Die elektrischen Versionen von Audis Topmodellen A4 und A6, die neuen SUVs – alles wird aufgesetzt auf Cariad-Software. Alles wird verschoben.
Ab 2026 will Audi-Chef Markus Duesmann (52) eigentlich nur noch Elektromodelle neu auf den Markt bringen. Doch das kann so kaum funktionieren.
Die angebotenen Modelle werden derweil immer älter. Tesla, chinesische Neulinge wie XPeng und Human Horizons, zunehmend auch BMW und Mercedes, zeigen digitales Premium. Bei Volkswagen werden es bestenfalls die neuen Softwarearchitekturen bringen. VWs elektrische ID.-Modelle werden erst jetzt updatefähig. Die Fahrer müssen dazu – natürlich nicht im Sinne des Erfinders – in die Werkstatt.
Geführt wird die Cariad von Dirk Hilgenberg (57), 2020 von BMW geholt. Im Vorstand für die Software verantwortlich allerdings ist seit Ende 2021: Herbert Diess persönlich.
Deshalb könnte das Drama um den Quälcode nun auch zum Drama für Herbert Diess werden. Die Familien Porsche und Piëch schalten sich über die Porsche SE ein, mit 53,3 Prozent der Stimmrechte Volkswagens Hauptaktionär. Aus dem Kreis des Autoclans mit seinen Anführern Wolfgang Porsche (78) und Hans Michel Piëch (80), dazu Oliver Porsche (61) und Louise Kiesling (64), sind Diess zuletzt kritische Fragen gestellt worden, berichten Vertraute. Etwa, warum sich so viele Modelle verzögerten und die Software so teuer werde. Vorstände der besonders betroffenen Porsche AG stachelten die Aufsichtsräte an, schimpfen sie in Wolfsburg.
Irritiert: Wolfgang Porsche stellt kritische Fragen
Bild vergrößern Irritiert: Wolfgang Porsche stellt kritische Fragen Foto: imago images / STPP Die Sache sprach sich zügig herum. "Die Familie fragt", das wiegt schwer in diesem Konzern. Die Porsches und Piëchs geben sich normalerweise friedlich im Aufsichtsrat. Inzwischen erhielten sie spezielle Updates in Sachen Cariad, berichten Eingeweihte.
Diess läuft die Zeit davon
Herbert Diess müht sich, ist freitags regelmäßig vor Ort in Cariad-Town Ingolstadt, bevor er sich nach München ins Wochenende verabschiedet. Der Konzernchef bringt immer neue Ideen ein, er hat Hilgenberg die von GM geholte Connectivity-Expertin Lynn Longo (49) und Volkswagens ehemaligen Chefstrategen Thomas Sedran (57) als CTO und CFO an die Seite gestellt.
Aber Diess läuft die Zeit davon. Spätestens im Mai soll über mögliche neue Verschiebungen von Modellen und Zeitplänen entschieden werden. Bis Ende des Jahres sollen die Techpartner stehen, derzeit läuft eine Bewertung: Wer aus der Techwelt passt, wie viel Geld kann in die Allianzen investiert werden?
Mobileye gilt als Favorit. Herbert Diess braucht eine schnelle und gute Lösung. An der Software zu scheitern – das wäre ein unwürdiger Abgang für einen Car Guy.
Secondo Manager Magazin le difficoltà incontrate da Vw nello sviluppo software stanno raggiungendo livelli da pieno allarme. Oltre all’alleanza con Bosch Diess deve entro breve trovare nuovi partner perché molti progetti tra cui il PPE (pianale che sarà la base per moltissime Porsche e Audi elettriche tra cui Q6-Etron e Macan) e il Trinity (la nuova edizione del MEB) stanno subendo ritardi di anni. Diess vuole anche ampliare la capacità produttiva negli Stati Uniti, probabilmente verrà prodotto un pick up elettrico.
|